Sonst privat: Der Schlossgarten in Assenheim. © Julian Simon Wessel
Sonst privat: Der Schlossgarten in Assenheim. © Julian Simon Wessel
04.07.2025

Wetterauer Zeitung: In den gräflichen Gartenanlagen in Assenheim

Erschienen in der Wetterauer Zeitung am 01.07.2025 und unter www.wetterauer-zeitung.de, Stand 01.07.2025, 14:00 Uhr.

Von: Julian Wessel

Das gibt es nicht alle Tage: Eine Führung durch die privaten Garten- und Parkanlagen des gräflichen Schlosses in Niddatal-Assenheim. Steht hier die älteste Magnolie Deutschlands?

Wir stehen hier vor der Assenheimer Stadtbefestigung«, erklärt Dierk Loyal und zeigt hinter sich auf eine mittelalterliche Mauer, vor der es rot, weiß und lila blüht, während sie von oben grün überwuchert wird. Wo sich heute ein gepflegter Rasen erstreckt, stand einst eine Wasserburg, in die das noch vorhandene Stück Stadtmauer integriert war.

Gut sind darin staufische Buckelquader zu erkennen, die an Burg Münzenberg denken lassen. Der promovierte Kunsthistoriker nickt: Tatsächlich, Erbauer der Assenheimer Burg war Kuno I. von Münzenberg.

Fantasie ist gefragt

70 Augenpaare folgen Loyals Zeigefinger auf eine auffällige Geländeformation: Reste einer mittelalterlichen Doppelwallanlage. Sonst ist während der zweistündigen Führung durch die gräflichen Gartenanlagen Fantasie gefragt. »Hier müssen Sie sich einen Wohnturm vorstellen. So hoch wie dieser Baum dort.« 1779 abgerissen, hat der Turm im Wappen der Stadt Niddatal überlebt.

Wo er stand, kommt man normalerweise nicht hin: Die gräflichen Grünanlagen rund um das Assenheimer Schloss sind in Privatbesitz. Hier wohnt Graf Philipp zu Solms-Rödelheim mit seiner Familie. Doch alle paar Jahre erwirkt der umtriebige Geschichtsverein Niddatal das Privileg, eine Gruppe durch das Gelände zu führen. Ein Unterfangen, das bei Dierk Loyal, der seine Magisterarbeit über die Baugeschichte des spätbarocken Schlosses geschrieben hat, in besten Händen ist. Rund 70 Teilnehmer sind diesmal dabei, die unterwegs vom Verein dankenswerterweise mit Wasser versorgt werden.

Ein Blick ins Wohnzimmer

Loyal setzt seine Zeitreise vor Jahrmillionen an, als vulkanische Tätigkeiten jenen großen Basaltblock formten, auf dem die Assenheimer Residenz ruht. Der viel später durch die wasserreiche Auenlandschaft entstandene fruchtbare Lössboden dürfte es den Assenheimer Hofgärtnern leicht gemacht haben, in der Ecke der Stadtmauer Obst und Gemüse anzubauen: 1591 taucht erstmals ein »Rahmengärtlein« oder »Lustgärtlein« in den Chroniken auf.

Dort steht heute ein hübsch anzuschauendes Gebäude, das 1881 im neogotischen Stil errichtet wurde, als Verwaltungsarchiv mit einem luftigem Gartensaal im Erdgeschoss. Und aus diesem tritt plötzlich der Bewohner ins Freie, ein freundlicher Herr mit weißem Haarschopf, plaudert mit den Besuchern über die baulichen Gegebenheiten des historischen Hauses und lädt sie sogar ein, einen Blick in sein Wohnzimmer zu erhaschen.

Was Assenheim mit der Weimarer Klassik zu tun hat

Die Gruppe folgt Loyal auf die Rückseite des Schlosses, vorbei an einem Brunnen, der für das Märchen vom »Froschkönig« Pate gestanden haben muss. Ungeachtet der Hitze dreht hier der aktuelle Hofgärtner, ein Mähroboter, unermüdlich seine Runden. Die weitläufige Grünfläche verwandelt Loyal sodann mit Hilfe von Bildern in einen anglo-chinesischen Parkanlage zurück, zumindest vor dem geistigen Auge der Betrachter. Die Anlage hatte vor allem Graf Volrat zu Solms-Rödelheim (1762 - 1818) anlegen lassen, der im Weimarer Goethe-Freundeskreis verkehrte und damit Assenheim anschlussfähig an die Weimarer Klassik macht.

Hier standen also einmal Bäume und Sträucher (unter anderem aus dem asiatischen Raum), die damals (nach englischem Vorbild) absichtsvoll so gruppiert wurden, dass der Eindruck des Natürlichen und Zufälligen entstand. Das sollte sentimentale Gefühle bei den lustwandelnden Betrachtern anzuregen.

Die Magnolie: Ein Assenheimer Superlativ

Asiatischen Ursprungs dürfte auch die große Magnolie sein, in deren Schatten Loyal seine Zuhörer mit einem »Assenheimer Superlativ« überraschte: Laut Internetrecherche stehe Deutschlands älteste Magnolie in Hamburg, und das seit 180 Jahren. »Da kann ich nur müde lächeln«, sagte der Historiker und zitierte aus einem Brief, den Volrat 1787 von seiner Mutter bekommen hatte: »Heute wurde dein kleines Magnolien-Bäumchen unter deinem Fenster gepflanzt.« Dazu Loyal nach längerer Beweisführung: »Ich behaupte, dies ist mit 238 Jahren die älteste Magnolie Deutschlands. Soll mich doch irgendjemand widerlegen.«

Längst verschwunden ist eine Pagode aus dem späten 18. Jahrhundert, aber die Fundamente eines Rundtempels kann man noch erkennen, wenn man an der richtigen Stelle in den Brennnesseln sucht. Loyal erzählte, dass er aus seiner Kindheit noch die in die Natur geschlagenen Blickachsen kennt, die Pagode, Tempel und Amalienhof miteinander verbanden. Längst ist alles zugewachsen, mangels Hofgärtnern.

Am Amalienhof, der ehemaligen gräflichen Gärtnerei auf der anderen Seite der Nidda, endet die hochspannende Führung mit einigen Räuberpistolen aus der Zeit der Napoleonischen Kriege.

INFO: Früher öffentlich

Ältere Assenheimer werden sich erinnern: Bis in die 1960er oder 70er Jahre war der Schlosspark öffentlich zugänglich, es gab ein Museum und ein Café. Auch das ein oder andere Fest wurde hier gefeiert. Am Rande der Führung war zu erfahren: Dass die Grünanlagen inzwischen von einem Zaun umgeben und für die Öffentlichkeit gesperrt sind, hat auch versicherungstechnische Gründe: Der Schutz von Besuchern vor herabfallenden Ästen geht über die Romantik der idyllischen Anlage.

Wer auf den Geschmack gekommen ist: Johannes Braun vom Geschichtsverein führt am Sonntag, 6. Juli, durch die Altstadt von Ilbenstadt. Treffpunkt ist um 15 Uhr vor der Basilika im Kloster. Auch dabei dürfte so manche überraschende Anekdote zu erwarten sein. (wjs)

Wetterauer Zeitung: In den gräflichen Gartenanlagen in Assenheim
»So sah Graf Volrat aus«: Kunsthistoriker Dr. phil. Dierk Loyal (l.) erklärt, Johannes Braun vom Geschichtsverein zeigt das passende Bildmaterial. Unten sieht man das heute privat bewohnte Archivgebäude, das sich an die Reste von Stadtmauer und Wasserburg anschmiegt. © Julian Simon Wessel