Eine Mühle mit Geschichte(n)
Wetterauer Zeitung
Stand:07.09.2023, 21:26 Uhr
Von: Kim Luisa Engel
Am 10. September ist Tag des offenen Denkmals. An diesem Sonntag haben deutschlandweit Kirchen, Schlösser, Windmühlen oder auch Gärten geöffnet und zeigen, was sich dort verbirgt - auch in Assenheim. Der Geschichtsverein Niddatal präsentiert die Reste der Hainaumühle. Deren Geschichte ist auch eng mit der des Ehrenvorsitzenden Thomas Lummitsch verbunden.
Im Assenheimer Mühlweg, wie sollte es auch anders sein, stehen sie - die Reste der Hainaumühle. Von der Straße aus ist erst einmal nichts zu sehen. Thomas Lummitsch, der Ehrenvorsitzende des Geschichtsvereins Niddatal, geht zunächst über eine kleine Brücke. Sie führt über die Wetter. Links hinein, über Stock und Stein, geht es ein kurzes Stück parallel zum Fluss. Gegenüber sehen wir ... eine steinerne Mauer. Aber immer noch nicht besonders viel. »Wir müssen auf die andere Seite«, sagt Lummitsch.
Im Jahre 1885 abgebrannt
Über die Brücke gehen wir zurück und durch ein Tor in den Hof des Mühlwegs 2. Gut, dass Lummitsch die Besitzer kennt. Sein Cousin Alexander May betreibt in einem von zwei dazugehörigen Wohnhäusern eine Praxis für Physiotherapie. Durch den Hof geht es in den Garten. Dort befindet sich die Hainaumühle. Oder zumindest das, was von ihr übriggeblieben ist. »1885 ist sie abgebrannt«, erzählt Lummitsch. Heute noch sichtbar sind eine Außenwand und ein Achsendurchlass für das Mühlrad.
Die Geschichte der Mühle ist lang. Lummitsch sagt, man könne nur Schlaglichter abbilden. Als erster Müller wird Henn Monich erwähnt. Und das schon 1448. Von der Solmser Landesherrschaft kaufte er ein Stück Land für 360 Gulden und baute auf der linken Wetterseite eine Wassermühle außerhalb der Stadtmauern. Damals hieß sie Solmser Mühle an der Wetter. Lummitsch schätzt, dass dort Roggen gemahlen und Leinöl hergestellt wurde.
Seit 1294, also gut 150 Jahre früher, ist die Stadtmühle an ihrem heutigen Standort in Assenheim bekannt. »Das waren Konkurrenten«, erläutert Lummitsch. Doch das Leben schreibt bekanntlich die besten Geschichten: Als letzter Besitzer der Hainaumühle vor dem verheerenden Brand ist ab 1874 Wilhelm Koch bekannt - Sohn des Inhabers der Stadtmühle, Karl Koch. Nach dem Feuer baute Wilhelm Koch die Mühle nicht wieder auf, sondern verkaufte das Anwesen an die Gemeinde Assenheim. Das alte Wohnhaus war bis ins 19. Jahrhundert das Schulgebäude des ehemaligen Dorfes Wickstadt. »1873 endete dort der Schulbetrieb«, sagt Lummitsch, der selbst jahrelang Lehrer an der Geschwister-Scholl-Schule in Assenheim war - unter anderem für Geschichte.
Woher Thomas Lummitsch das alles weiß? »Das habe ich aus Quellen zusammengetragen.« Zum Beispiel aus »Geschichte der Stadt Assenheim«, dem Buch seines Vaters Rudolph, der den Geschichtsverein gründete. Oder aus den Lebenserinnerungen von Karl Walther, der von 1919 bis 1935 Bürgermeister dort war. Das ist eine handgeschriebene Chronik, die Lummitsch nach und nach transkribiert. Er sagt nämlich: »Was nützt es, wenn Aufzeichnungen da sind, aber keiner sie lesen kann?« Die Infos über die Schule in Wickstadt hat er von Pfarrer Dr. Wolfgang Gerster und seinem Buch »Sankt Willigis«.
Referat mit Wasser und Wein
All diese und mehr Informationen möchte er auch in seinen Vortrag am Sonntag um 14 Uhr einfließen lassen. Lummitsch sowie Erster Stadtrat und Geschichtsverein-Mitglied Kurt Meisinger werden in der Garage des Wohnhauses eine Powerpoint-Präsentation zeigen und über die einstige Mühle referieren. Dazu gibt es Wasser und - traditionell, wie Lummitsch sagt - Weißwein. »Wenn das Wetter mitspielt, wird das eine lauschige Sache«, meint er mit Blick auf den idyllischen grünen Garten.
Die Vegetation am Fluss, sagt er und lacht, sei übrigens auch ein Grund, warum das Denkmal so versteckt ist: »Es ist sehr gerade zugewachsen, im Winter sieht man mehr.«
Ab 1887 verwebt sich die Geschichte der Hainaumühle mit der von Thomas Lummitsch, bzw. der seiner Vorfahren. Ab da ist sie als Lohngärtnerei an Hermann Stübs verpachtet - sein Urgroßvater, der sie später auch kauft. »Seitdem ist sie in Familienbesitz, auch wenn sich die Namen der Inhaber durch Einheirat änderten.« Bis 1960, erinnert sich Lummitsch, stand ein großes gläsernes Gewächshaus dort, wo heute die Einfahrt ist. »Als Kind bin ich hier ein- und ausgegangen. Ich sehe alles noch vor mir.«
Auch eine Scheune befand sich auf dem Gelände, sie wurde abgerissen und wich dem Wohnhaus, in dem sich jetzt die Praxis befindet. In dem ehemaligen Schulgebäude wohnt heute eine Tochter der Mays mit ihrer Familie. »Jetzt lebt die neuste Generation im ältesten Gebäude«, sagt Thomas Lummitsch. Er fasst zusammen: »Es ranken sich enorm viele Geschichten um die Mühle.«